Seminarleitende im Interview - Prof. Dr. Alfried Längle und Dr. Christian Kuhlmann
Für unsere neue Interviewreihe haben wir unsere Seminarleitenden folgende Fragen gestellt:
Was war mir in meinem Leben schon immer wichtig? Wofür setze ich mich ein? Was will ich in die Welt bringen?
Wie zeigt sich dies in meiner heutigen Arbeit? Wie wird das in meinem Seminar im Metaforum SommerCamp für die Teilnehmenden spürbar?
Prof. Dr. Alfried Längle und Dr. Christian Kuhlmann erläutern, wie wichtig es ihnen ist, dass Menschen zu für sie sinnvollen Entscheidungen und Entwicklungen in komplexen Systemen kommen können. Wie sie in ihrem Seminar „Existenzielles Leadership und Coaching“ dabei verschiedene Ansätze miteinander verbinden, erfahrt ihr ebenfalls im Interview.
Was war mir in meinem Leben schon immer wichtig? Wofür setze ich mich ein? Was will ich in die Welt bringen?
Alfried Längle: Mir war immer der Mensch das Wichtigste. Er hat mich fasziniert. Ich sah in ihm eine Größe, ein Wunder, von dem ich von Anfang an wusste, dass ich es nie begreifen werde. Aber mehr davon verstehen, das wollte ich immer. So habe ich schon früh, mit 15, psychologische Literatur gelesen und auch Philosophie. Denn der Mensch ist nicht nur sein Körper und seine Gefühle, sondern er ist vor allem auch seine Welt, das, worin er steht, wofür er lebt, was er sich aneignet. Und vor allem, wie es sich und seine Welt versteht und sich in ihr einbettet. Darum gehörte für mich Philosophie von allem Anfang an zum Verständnis des Menschen. Aber auch seine Biologie. So habe ich denn auch Medizin studiert, die frustrierende akademische Psychologie, und war regelmäßig in philosophischen Vorlesungen, die ich während des ganzen Studiums besucht hatte. Der naturwissenschaftliche Zugang in der Psychologie hat auch sein Faszinierendes, aber ich hatte immer das Gefühl, der Mensch als solcher und in seinem Wert und seiner Motivation wird dabei nicht ganz gesehen. Für mich war die Psychotherapieausbildung interessanter als das Psychologiestudium.
Christian Kuhlmann: „Mit Leichtigkeit Sinn in Systemen zu ermöglichen“, das war ein Motto, welches ich mir 2016 im Rahmen einer Ausbildung bei Dr. Stephen Gilligan für meine Arbeit gegeben habe.
Seit meinen Anfängen in der Beratung war und bin ich insbesondere damit beschäftigt, wie es Menschen in unterschiedlichen Rollen und Systemen gelingen kann, aus dem, was sie vorfinden, und aus dem, was ihnen z. B. in Organisationen begegnet, etwas Sinnvolles und Wertvolles zu (er-)schaffen. In meiner Arbeit im Sozialbereich, in meiner Arbeit in mittleren und großen Organisationen oder auch in meiner Arbeit im Top-Management ist es mir darum wichtig, nicht in „Träumen“ und Wunschvorstellungen zu verbleiben, sondern mit meinen Kunden die besten Möglichkeiten innerhalb der aktuellen Rahmenbedingungen zu erkennen und zu nutzen. Um es pointiert auszudrücken: Aus Vorhandenem viel Sinnvolles zu machen – das ist mir ein wertvolles Anliegen.
Um diesem Anliegen gerecht zu werden, ist mir eine Verbindung systemtheoretischen Denkens und humanistischer Ideen besonders wichtig. Die eher nüchterne Art systemtheoretisch auf die Welt zu schauen, gepaart mit dem humanistischen Willen des Menschen Sinn zu stiften, ist eine Kombination, die zu kreativen und wertschaffenden Entscheidungen und Lösungen beiträgt.
Wie zeigt sich dies in meiner heutigen Arbeit? Wie wird das in meinem Seminar im Metaforum SommerCamp für die Teilnehmenden spürbar?
Alfried Längle: Nachdem ich in der Tiefenpsychologie, der Verhaltenstherapie, der Hypnose, dem katathymen Bilderleben, der Daseinsanalyse, der Gesprächspsychotherapie, der Gestalttherapie mich umgesehen hatte, fand ich bei Frankl den optimalen Mix zwischen Psychiatrie, Philosophie, Psychologie und Praxis. Ich sah darin ein gutes Rahmenmodell, in dem ich meine frühen Ideen unterbringen konnte und die Chance sah, sie auf solidem Boden weiterentwickeln zu können. Frankl konfrontierte mich später einmal: „Machen Sie mir die Logotherapie nicht zur Psychotherapie!“ – „Aber das ist doch genau das, was wir anstreben, um mit den Menschen profund arbeiten zu können!“ - Hier zeichnete sich bereits der Bruch ab, der 1991 stattfand, und der zur Entwicklung einer eigenständigen Psychotherapierichtung führte, die sich weitgehend von der Logotherapie losgelöst hatte und zur Existenzanalyse als eigenständiger Psychotherapie führte. Sie ist auch die Grundlage des existenziellen Leaderships und Coachings, das in diesem Seminar vorgestellt wird. Dennoch ist Frankls Logotherapie als ein Element in ihr enthalten.
Christian Kuhlmann: In meiner Arbeit verbinde ich systemische Ansätze, die ich insbesondere von Fritz B. Simon gelernt habe und hypnosystemische Ideen, die ich von Gunther Schmidt gelernt habe, mit der von Alfried Längle entwickelten Existenzanalyse. Dabei leiten mich im Besonderen zwei Fragen: Welche Wirkungs- und Sinnmöglichkeiten sind in komplexen Systemen zu entdecken und zu heben? Wie kann jemand zu sinnvollen und guten Entscheidungen in komplexen Systemen kommen? Diese Fragen bespreche ich mit meinen Kunden, die aus Unternehmen und Non-Profit-Organisationen kommen und sich mit Fragen sinnorientierten Leaderships und sinnorientierter Transformation beschäftigen. Dabei ist mir in meiner Arbeit eine produktive Verbindung zwischen analytischen und emotionalen Zugängen sehr wichtig. Beides werden die Teilnehmenden im Seminar dadurch erfahren, dass sie auf der einen Seite analytisches Werkzeug an die Hand bekommen, und auf der anderen Seite dieses mit dem eigenen Gespür kombinieren können.
Weitere Interviews findest gibt es in unserem Journal.